Historie

Weitab vom Lärm und Getriebe der Stadt lag eingebettet im Grün der Marsch der kleine Hafen, einst ein alter, mit Schilf und Kraut dichtgewachsener Weserarm sowie eine kleine Hütte, in dem durstige Segler vor Anker gehen konnten. So mancher „Stühm“ entfacht aus Lagerbier und Köhm, schuf jene Seemannsatmosphäre, die nun einmal zu zünftigen Wassersportlern – ob süß oder salzig – gehört.
Von einigen Fischern und Idealisten, die ihre Liebe dem Wassersport verschrieben haben, wurde im Jahr 1925 der heutige Wassersport-Verein Hemelingen gegründet. Seit der Gründung haben die Mitglieder durch ihr Schaffen die Hafenanlage ausgebaut, das Vereinsgelände verschönert und das Bootshaus immer wieder erweitert.
Heute verfügt der Verein über ein ca. 50.000 qm großes Gelände, mit zwei Hafenbecken, einer fahrbaren Krananlage, einem schönen Bootshaus, einer Bootswaschanlage und ca. 4.000 qm Winterlagerhallen in unmittelbarer Nähe des Hafens. Dies alles hat der Verein hauptsächlich seinen Mitgliedern zu verdanken, denn ohne sie würden wir nicht über diese herrlichen Anlagen verfügen.

Ein Bootshaus in der damals schönen Hemelinger Marsch bei km 361 an der Mittelweser. Den Platz, an dem unsere Vereinsanlagen aufgebaut waren, umgab eine herrliche Landschaft mit grünen Wiesen, weidenden Kühen und allerhand sonstigem Tiervolk. Im Frühjahr wechselte die Natur die Farben der großen Weidenflächen vom Gelb der Butterblumen zum violetten Wiesenschaumkraut mit sattem Grün als Untergrund, trillernde Lerchen standen am Himmel und der Kuckuck mahnte die Regattasegler, die gerade vom „Heiligabend“ an Bord gekommen waren, zum Wachbleiben, damit sie rechtzeitig zum Start aufkreuzen konnten.
Die Segelboot-Flotte umfasste seinerzeit 12 – 15 Fahrzeuge, zusammen gewürfelt aus vielen verschiedenen Typen.
Und unser im Jahre 1925 erbautes erstes Bootshaus – eigentlicher Mittelpunkt des Vereinslebens – benutzte man sehr oft zum Segeltrocknen und als Aufbewahrungsort für Segel mit Pik und Großbaum, Riemen – Hilfsmotore waren noch fast unbekannt- und sonstigem Krimskrams, den man an Bord nicht sicher wähnte, obwohl zu jener Zeit Diebstähle niemals zu verzeichnen waren. Versammlungen und sonstige festliche Veranstaltungen wurden im altbekannten Vereinslokal „Lüers-Tivoli“ abgehalten. Das Bootshaus hatte nach heutigen Maßstäben gesehen mehr Landbudencharakter in den Abmessungen von ca. 10 x 4 m, also 40 qm. Aber eine wichtige Funktion erfüllte es immerhin schon durch das Vorhandensein einer winzigen Theke und einer dahinterliegenden Koje als Schlafstätte für den sog. Bootsmann, der Hemelinger Lagerbier in dickbauchigen Flaschen mit langen verkorkten Hälsen, Schnäpse und allerlei Fischerleckereien a la Wacker kredenzte, was besonders bei den vielen zu leistenden Arbeitsdiensten außerordentlichen Anklang fand. Alle diese Herrlichkeiten waren für wenige Groschen zu haben. Das waren Zeiten!

Erste Erweiterungen

Der WVH wuchs und damit kam auch die Notwendigkeit, das Bootshaus zu erweitern. In eigener Kameradschaft getragener Verantwortung griffen die Mitglieder ohne Zwang zu den nötigen Werkzeugen und schufen in den Jahren 1930/31 einen nach Norden ausgerichteten Anbau, der später Mitteltrakt wurde. Zu erwähnen ist, dass das Bootshaus zunächst auf etwa 1,20 m hohen Socken erbaut werden musste, da die Hemelinger Marsch in den Wintermonaten durch Staumaßnahmen am Hastedter Weserwehr überschwemmt wurde. Nun erhielt der Bootsmann eine kleine Wohnküche, eine vergrößerte Tresenanlage, und der entstandene Aufenthaltsraum war nun geeignet zur Durchführung von Versammlungen, Lehrgängen für den Erwerb eines Standerscheines, Feierlichkeiten, wie z.B. die üblichen Regattaheiligabende, An- und Absegeln.
Der Mitgliederbestand war inzwischen auf ca. 60-80 Sportkameraden gewachsen. Laufend wurden neue begeisterte Wassersportler in unseren Reihen aufgenommen und so konnte es nicht ausbleiben, dass abermals an eine Vergrößerung des Bootshauses gedacht werden musste.
Ein Paddelbootsschuppen, der zu jeder Saison auf- und abgebaut werden musste, brachte die Überlegungen, eine einfache Unterbringung der kleineren Boote zu finden. Man kam zu der Ansicht, dass es möglich sein müsste, das bisher erstellte Gebäude in die Höhe schweben zu lassen, um dadurch Platz für die Bootslagerung zu gewinnen.
Genau betrachtet war es ein kühnes, risikoreiches Unternehmen, denn der ganze Gebäudekomplex musste um über 1 m hochgeschraubt werden. Mit Hilfe einschlägiger Fachkräfte und vor allem unter Einsatz kraftvoller Winden und Eisenträger gelang das gefährliche Unternehmen nach entsprechender Vorbereitung innerhalb einer Stunde, in welcher die Winden im Gleichtakt betätigt werden mussten. Gleichzeitig musste eine Maurerkolonne die vorhandenen Pfeiler erhöhen. Es waren wirklich spannende 60 Minuten, als das ganze Bauwerk Zentimeter um Zentimeter in die Höhe „eilte“. Grosses Aufatmen, als es geschafft war, und eine Bierrunde beruhigte schnell die angespannten Nerven. Und so entstand als letzte Erweiterung der linke Seitentrakt.
Zahlreiche flinke Hände halfen bei den anfallenden Arbeiten und die Krönung für alle Helfer war ein Kohl und Pinkelessen, das von einer begeisterten Sportkameradin gestiftet wurde. Die Eröffnung des um- und angebauten Vereinsheimes trägt das Datum des 7. Mai 1938. Die Vereinskameraden, soweit sie noch in unserem Kreise verblieben sind, werden sich sicherlich gern an die vielen frohen Stunden erinnern, die sie in unserem Bootshaus erleben durften. In den früheren Jahren ohne Fernsehen, Autofahren und sonstigen Unterhaltungen, wie sie heute üblich sind, war unser stetes Ziel das Bootshaus. Fest- und Klönabende wurden mit Gesang verschönert, und an viele Solisten sei an dieser Stelle erinnert. Nachdem die Kehlen genügend geschmiert waren, erklangen die immer wiederkehrenden Solis wie z.B. „Die krumme Lanke“, „Ick will mine witte Boxen woll kriegen…“, „Lür Wind hat uns ein Lied erzählt…“, „In Hemeln an de Weser…“ und so weiter. Die „Chorgesänge“ wie „Es weht eine Brise…“, „Es, Es und Es…“, „Salome“ mit Schlagzeugbegleitung und schließlich… „Der WVH soll niemals untergehen“!
Der 2. Weltkrieg zerstörte dieses Idyll. Viele Sportskameraden mussten gehen. Der sich entwickelnde Bombenkrieg zerstörte unser Ideal.

Nachkriegswehen

Unser Bootshaus wurde stark beschädigt, und die in der Nachkriegszeit auftretende Not in der Versorgung mit Brennmaterial trieb manchen Hemelinger Einwohner dazu, Wände, die eingebauten Kleiderschränke, Schalungen etc. als Brennholz fortzuschleppen. Einige „unbelastete“ Kameraden wurden wegen dieser Plünderungen beim Sportoffizier der Militärregierungen vorstellig und daraufhin wurde dem WVH die Genehmigung erteilt, den Sportbetrieb wieder in Gang zu bringen. Das uns zur Verfügung gestellte Schild „Off Limit“ wirkte Wunder und die „Brennholzentnahmen“ hörten schlagartig auf. Und 1946 wurde neu angefangen. Das Verbliebene wurde durch tatkräftigen Einsatz unserer Sportkameraden wieder hergerichtet. Fehlendes wurde – wie man damals so schön sagte organisiert, und dabei sei erwähnt, dass einige junge Sportskameraden, die neu zum Verein kamen, tüchtig mithalfen, um die Räume wieder nutzbar zu machen. Eines Tages kam das bittere Ende für unser beliebtes Bootshaus. Unsere Anlage musste den Bauplanungen für Binnenhäfen entsprechend ganz schnell verschwinden. Es wurde ein einfaches Verfahren für die Beseitigung unseres Gebäudes gesucht und gefunden. Und an einem Sonnabend-Vormittag wurde ein Brand entfacht. Das Bootshaus wurde ein Raub der Flammen.
Ein Werk, das mit viel Idealismus und unsagbarem Arbeitsaufwand erstellt wurde, verschwand im Laufe einer knappen Stunde. Zurück blieben Schutt und Asche. Es war einmal….

Die Feuerbestattung

Am 13.11.1971 trafen sich beim neuen Bootshaus einige Sportfreunde, um einer „Feuerbestattung“ beizuwohnen. Die Herren erschienen nicht in Frack und Zylinder, sondern in Arbeitsmontur. Gegen 8 Uhr startete die Gesellschaft, bestehend aus den Sportsfreunden Peters, Henning, Grotheer, Schippert, Braun, Seekamp, Dahnken und Schlüsselburg sen. mit dem Vereinstufel zum Ort der Beisetzung.
Nach einer Fahrt von 800 Metern durch dicken Novembernebel erreichten wir unser altes Gebäude. Die Feuerlöschpumpe wurde klargemacht und die Schläuche ausgelegt. Wir begaben uns alle noch einmal ins alte Bootshaus, und jeder nahm auf seine Art Abschied. Nach Prüfung der Windrichtung entschieden wir uns, das Feuer in die Küche und in die Ecke zu legen, in der Toni’s Klavier in alten Zeiten immer gestanden hatte. Nach Zündung verließen wir alle schnell und diesmal unwiderruflich das alte Bootshaus und versammelten uns am Wasser. Es dauerte kaum 15 Minuten und das ganze Haus stand in voller Ausdehnung in Flammen. Die Pappe auf dem Dach fing an zu kochen, und im Inneren des Hauses glich es einem Inferno. Durch die Fenster wurde der Sauerstoff wie mit einer Pumpe hineingesaugt. Die Hitze wurde unerträglich, und wir mussten mehrmals Stellungswechsel nach achtern machen, sonst wären wir zu „braun“ geworden! Nach etwa 30 Minuten brach die ganze Konstruktion mit Getöse in sich zusammen. Die gemauerten Pfeiler waren so heiß geworden, dass die Fugen geplatzt waren und wir sie mit einer Latte umstoßen konnten. Die Eisenträger hatten sich zu abstrakten Figuren verbogen. Bei einer nachträglichen Feuerlöschübung wurden die Reste des alten WVH-Bootshauses abgelöscht. Unsere Arbeit war getan!
Was in Jahrzehnten durch Mitglieder unseres Vereins geschaffen worden war, wurde durch Mitglieder unseres Vereins würdig zum Ende gebracht. Den Krieg hatte es überdauert, gegen die Industrialisierung war es machtlos. Für die Teilnehmer war es keine leichte Aufgabe, weil außer dem Material auch wohl noch einiges mehr verbrannte, das man in Worte nicht fassen kann! Nachträglich sei zu bemerken, dass bei der Polizei und bei der Feuerwehr insgesamt 28 Anrufe eingingen mit dem Hinweis: „Das Hemelinger Bootshaus brennt!“ Polizei und Feuerwehr waren natürlich informiert und hatten die „Feuerbestattung“ genehmigt. So konnten die Anrufer beruhigt werden. Nach einigen Wochen hatten die Saugbagger über die Reste unseres alten Bootshauses eine ca. 3 Meter hohe Sandlage gespült. Ein altes Wahrzeichen an der Weser war verschwunden . Heute kann keiner mehr genau sagen, wo das alte Domizil des WHV gestanden hat; man kann es nur noch ungefähr schätzen ….! Anwesende sahen mit einem tränenden Auge der Zerstörung zu, aber mit dem anderen, lachenden Auge richteten sie ihre Blick etwa 600 m weseraufwärts, wo ein neues schöneres und massives aber auch wieder auf hohen „Stelzen“ stehendes – Bootshaus und eine zeitensprechende Sportanlage entstanden war.

Neubeginn

Der Neubau des Bootshauses, der Zuwegung, der Strom- und Wasserzufuhr und der Ausbau der Hafenanlage erforderte eine Summe von etwa 350.000,- DM im Laufe der ersten Jahre. Neben einer großzügigen Entschädigungssumme für unsere alte Anlage sorgte das Sportamt Bremen für eine Zuwendung von 30.000,- sowie ein Darlehen über die gleiche Summe. Durch Vorauszahlung des Beitrages sowie Vergabe von weiteren Darlehen sorgten die Mitglieder für die Bewältigung dieser Aufgabe. Der Rest wurde über die Sparkasse in Bremen finanziert.
Durch einen geschlossenen Freundschaftsvertrag mit der Hochschule für Nautik Bremen wurde die Grundlage zur Schaffung eines zweiten Hafenbeckens parallel zum Weserlauf möglich. Die Vergrößerung unseres Geländes, Hafens und Bootshauses haben wir dem „Zweiten Weg im Deutschen Sport“ (zur Schaffung von Sportstätten für Außenstehende) zu verdanken. Hierdurch konnten wir über 300 neue Mitglieder aufnehmen und mit Familienangehörigen weit über tausend Menschen den Wassersport ermöglichen. Der Ausbau des Hafens 2 galt neben der Aufnahme der Segelkameraden der Hochschule für Nautik Bremen der Schaffung von Liegeplätzen für reviergeeignete Boote (Jollen, Jollenkreuzer, Kleinboote mit einer Wassertiefe von 50 bis 80 cm wie im alten Hafen).
Die fertige Anlage erhielt den Namen „Sporthafen Hemelingen“ und somit staatlichen Charakter wie die Sporthäfen Grohn und Hasenbühren. Im Jahre 1971 konnte der WVH die neue Hafenanlage übernehmen.
Das neue Gelände war eine kahle Landschaft aus lehmigem Boden. In den folgenden Jahren wurde nach einem vorgegebenen Bepflanzungsplan, das Gelände mit vielen Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Ein Teil des Geländes direkt an der Weser wurde für Campingwagen reserviert, und zwar für Mitglieder, die den aktiven Wassersport nicht mehr ausüben konnten. Damit wurde den älteren Mitgliedern die Möglichkeit gegeben, weiterhin am aktiven Vereinsleben teilzunehmen.
Im Laufe der Jahre konnte noch ein Areal von ca. 10.000 qm, das südlich von unserem Gelände lag und Zuwegung zum Hemelinger See hat, zugepachtet werden. Heute verfügt der Verein über ein sehr schönes Gelände mit reichlich Baum- und Buschbestand von ca. 50.000 Quadratmetern Fläche mit zwei Hafenbecken, vielen Landliegeplätzen, eine über dem Hafen fahrbare Bootshebeanlage (bis 10 t), sowie ein Hafenmeisterbüro und eine moderne Bootswasch-Reinigungsanlage mit zwei Bootswaschplätzen. Das Bootshaus, das inzwischen einen maritimen Charakter erhalten hat, ist immer wieder ein beliebter Treffpunkt für alle. Das untere Bootshaus wurde ausgebaut und es entstanden weitere Sanitär- und Duschanlagen. Darüber hinaus wurden Umkleide-Räume für die Jugend geschaffen. Außerdem konnte ein Regatta-Büro, das auch als WVH-Geschäftsstelle benutzt wird, gebaut werden. Die ca. 3000 qm Winterlagerhallen stehen auf einem 3 km entfernten Gelände. In seiner 75-jährigen Geschichte ist der WVH mit seinen, jetzt ca. 580 Mitgliedern zu einem der größten Wassersport-Vereine im Lande Bremen herangewachsen.

Für vorbildliche Arbeit im Umweltschutz und bei der Umwelterziehung und -Information erhielt der WVH 1999 erstmals die Blaue Europa-Flagge.